Bund der Freien WaldorfschulenArbeitsgemeinschaft der Freien Schulen

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Pädagogik

Medienkonzept

erarbeitet in der Schulentwicklungskonferenz von November 2015 bis Oktober 2017

Leitbild

Das Kollegium der Freien Rudolf-Steiner-Schule Ottersberg anerkennt die Möglichkeiten, die die digitalen Medien bieten.
Die pädagogische Verantwortung erfordert ein sorgfältiges Abwägen der Risiken, die mit dem Einsatz der digitalen Medien verbunden sind. Dies bedeutet, dass zunächst eine indirekte Medienpädagogik verfolgt wird, die später durch eine direkte Medienpädagogik ergänzt wird.  Die pädagogische Verantwortung begründet sich aus den Entwicklungsgesetzmäßigkeiten, die in der „Allgemeinen Menschenkunde“ von Rudolf Steiner dargestellt sind. Der Lehrplan unserer Schule beruht auf diesen Gesetzmäßigkeiten.
Aus der differenzierten Betrachtung der einzelnen Altersstufen geht hervor, dass die Medienpädagogik entwicklungsabhängig vom Kind ausgeht und dass nicht vom Medium ausgegangen werden kann. Durch die aufmerksame Begleitung im schulischen Alltag wird das Ziel verfolgt, die Schüler*innen in ihrer Entwicklung zu fördern, so dass mit erlangter Reife die digitalen Medien von den Schüler*innen sinnvoll und Gewinn bringend genutzt werden können. Dabei wird sowohl die Entwicklung der Schüler*innen in ihrer Persönlichkeitsentfaltung und in ihrem Bildungsstreben berücksichtigt, als auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung im Bereich der digitalen Kommunikation, Informationsentwicklung und Unterhaltung.
Ein Grundprinzip unserer Schule ist die Einbeziehung der Eltern in das Schulganze. Im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft arbeiten wir mit den Eltern als Experten für ihre Kinder im größten außerschulischen Lernfeld. Das Medienkonzept der Freien Rudolf-Steiner-Schule Ottersberg bildet die Grundlage für Mediennutzungsvereinbarungen in Klassengemeinschaften, die zum Schutz der Kinder und Jugendlichen dienen, Gruppenzwang reduzieren und die Abstimmung im Kollegium erleichtern.

Übersicht (aus: Struwwelpeter, Medienbroschüre des Bundes der Freien Waldorfschulen, 2014; S.1)

Übersicht (aus: Struwwelpeter, Medienbroschüre des Bundes der Freien Waldorfschulen, 2014; S.1)

Unterstufe – Klassen 1 bis 6

Medien und Waldorfpädagogik

In der Waldorfpädagogik legen wir Wert darauf, dass das individuelle Reifen gemäß den Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Entwicklung stattfinden kann. Außerdem sollen Kinder lebenspraktisch auf die Herausforderungen der Zeit vorbereitet werden. Das bedeutet, dass die verfügbare Technik sinnvoll genutzt werden kann, sie aber nicht zu Abhängigkeiten und Verkümmerung von Kompetenzen führen darf.
Selbstverständlich brauchen Jugendliche heute am Ende ihrer Schulzeit die Fähigkeit, mit digitalen Medien umzugehen. „Der selbständige Umgang mit dem Computer setzt die Entfaltung eines eigenständigen Urteils voraus. Die eigene Urteilsfähigkeit entwickelt sich vor allem erst ab dem 12. Lebensjahr- und ab diesem Alter ist ein Umgang mit Computern, überhaupt mit IT-Technologie, als Medienträgern pädagogisch sinnvoll und notwendig.“ (Hübner, Stuttgart 2014)
Unser Anliegen ist es, unsere Schülerinnen und Schüler zu Medienmündigkeit zu erziehen und vor Mediensucht zu bewahren. Damit ist gemeint, Medien aktiv, dosiert, kritisch reflektierend und technisch versiert nutzen zu können um sie zu beherrschen und nicht umgekehrt, sich von den Medien beherrschen zu lassen.

Charakteristische Wirkungen der elektronischen Medien sind, dass sie:

  • Informationen extrem schnell, also jederzeit und sofort verfügbar machen.
  • Das Zeitgefühl bei der Nutzung verschwinden lassen.
  • Mit minimalem körperlichem Aufwand den Schein von Bewegung (in Bildern, Spielen, Filmen etc.) entstehen lassen.
  • Die aktive Aufmerksamkeit häufig durch die von außen erzeugte Bilder- und Informationsflut ersetzen.
  • Statt dem gedanklichen und wahrnehmungsgestützten Verfolgen von Zusammenhängen auf „Weblinks“, also programmierte Assoziationen, setzen.
  • Langeweile überspielen.
  • Fertige Urteile in Form einer nicht endenden Informationsüberflutung an die Stelle von selbst gebildeten Urteilen oder Begriffen setzen.
  • Das langsame und gründliche Entwickeln von Gedanken im wechselseitigen Austausch durch häppchenweise Kurznachrichten ersetzen, die mehr auf den assoziierten Effekt als auf den Erkenntnisgewinn und die Wahrnehmung des Gegenübers gerichtet sind.
  • Sprache zu Kürzeln oder Symbolen (Icons) verkürzen.

Dem stehen viele sinnvolle Anwendungen gegenüber, aber hier geht es darum, wie diese genutzt werden können, ohne dass Abhängigkeiten oder andere ungewollte Begleiterscheinungen in den Vordergrund rücken ( Kullak-Ublick, Stuttgart 2014).

Für die ersten Schuljahre bis zum 12. Lebensjahr bedeutet dies eine weitgehende Medienabstinenz. In diesem Alter stehen die Entwicklung der Sensomotorischen Integration an erster Stelle, also die Verknüpfung vielfältiger Sinnes- und Bewegungserfahrungen miteinander, die entscheidend sind für die Entwicklung des Gehirns. Eine Reizüberflutung durch vorgegebene Bilder gefährdet ein gesundes Gehirnwachstum.
Die Medien dieser Zeit sind der Leib, die Sprache, die Schrift, das Buch, das Tafelbild, Materialien, die alle Sinne ansprechen, vom Geruch über die Farben bis zum Tastsinn.
Die Fähigkeit zur Kommunikation ist Grundvoraussetzung für eine aktive Teilnahme an der Gemeinschaft. Sie umfasst das Hören, Empfinden und Verstehen des gesprochenen Wortes ebenso wie Mimik und Gestik des Gegenübers, sowie das Finden der rechten Worte für die eigenen Gedanken und Gefühle. Diese Fähigkeiten werden nur in der unmittelbaren Begegnung mit anderen Menschen erworben und brauchen Aufmerksamkeit, Zeit und Geduld. Die Medien dafür sind Gemeinschaftserfahrungen in Musik, Theater, Eurythmie, Handwerk und Gespräch.
Ein weiterer wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Medienmündigkeit ist die Produktionsfähigkeit. Die Erfahrung, mit seinen Händen etwas herstellen zu können, einen kreativen Prozess von einer ersten Idee bis zu einem Ergebnis durchzustehen mit seinen beflügelnden aber auch mühsamen Phasen ist unschätzbar und ein bedeutender Teil des Unterrichts.

Auf welche Fähigkeiten kommt es also an und wie können sie gebildet werden?

  • Durch eine aktive Sinnesschulung kann die Wahrnehmungsfähigkeit differenziert angeregt werden.
  • Die Aufmerksamkeit kann durch Beobachtungsschulung über kurze Momente hinaus aufrechterhalten werden.
  • Die sich bildende Vorstellungswelt der Kinder kann durch die Schulung der Fantasie zum schöpferischen Instrument eines Bewusstseins werden, das nicht nur Gedanken reproduziert, sondern das Erkannte weiterspinnt (und denkt). Fantasie ist der beste Schutz vor wesenlosen Fantasy-Welten.
  • Viel kommt darauf an, die eigene Körperlichkeit im Raum und in der Zeit zu erfahren und sich im eigenen Körper zu beheimaten.
  • Die Hände müssen als das entdeckt werden, was sie sind: die menschlichen Freiheitsinstrumente schlechthin, mit denen man „alles“ tun kann, was man will.
  • Klassenbibliotheken sind Anregungen zur sinnlichen Erfahrung des Lesens und sie regen zu echten Recherchen an, bei denen nicht Weblinks, sondern echte Fragen zum Ziel führen.
  • Über gemeinsame Tätigkeiten können die Kinder entdecken, wie das Zusammenwirken mehr hervorbringen kann als die Summe der einzelnen Aktivitäten.
  • Erfahrungen mit den unterschiedlichsten „analogen“ Ausdrucksmitteln und Medienträgern schaffen das Unterscheidungsvermögen für die Qualitäten verschiedener Medien und ihrer Träger (Papier oder Knetwachs, Wachsstifte oder Wasserfarben, Musikinstrumente, Ton, Holz, etc.).
  • Der „Dreischritt“, der vom aktiven Hören oder Handeln über das beschreibende Gestalten bis zum erinnernden Erkennen geht, schafft die Grundlage für ein selbstständiges, aktives Lernen.
  • Die Kinder müssen die Erfahrung von Zeit und Rhythmus machen, indem sie einen atmenden Unterricht erleben, warten lernen, Naturprozesse begleiten (Tierpflege und Kräutergarten 1. Klasse, Landbauepoche 3. Klasse, 5. Klasse, Gartenbau, Bienen etc.) und erleben, dass Arbeiten immer zu einem Abschluss (Höhepunkt) geführt werden, sodass sich die Anstrengung lohnt.

Mit Bezug auf das vorher Geschilderte kann man sagen:

  • Die Erfahrung von Zeitprozessen steht dem Verschwinden der Zeit im Bereich der elektronischen Medien gegenüber.
  • Die Schulung der Aufmerksamkeit, die Erfahrung sinnvoller Zusammenhänge durch Beobachtung und die eigene Begriffsbildung im „dreistufigen“ Lernen sind die Voraussetzung, um die assoziativen Zufallsfunde im Internet im Kontext beurteilen zu können.
  • Die Bewegungserfahrungen und taktile Geschicklichkeit sind das Gegenstück zu der körperlichen Erstarrung beim Benutzen von Computern.
  • Die Gemeinschaftserfahrungen in der Wahrnehmung der Arbeitsergebnisse der Klassen-kameraden sowie in gemeinschaftlichen Aktionen (Musik, Theater, Eurythmie, Handwerk etc.) vermitteln die Erfahrung echter Begegnung und setzen den elektronisch gesteuerten Kommunikationsformen reale Beziehungen entgegen.
  • Der lebendige Umgang mit der Sprache in vielerlei Formen hebt sie über das rein informative Austauschen von Nachrichten oder Urteilen hinaus und vermittelt die Erfahrung der echten Wesensbegegnung.“ ( Kullak-Ublick, Stuttgart 2014)

Der „Verzicht auf elektronische Medien in diesem Alter bedeutet keine Verarmung, sondern einen Gewinn an Weltnähe und Welt(zu)gewandtheit. Es geht nicht um weniger, sondern um mehr Aktivität, nicht um eine Einschränkung, sondern um eine erweiterte, gesättigte Verbindung mit der Welt.“ (Kullak-Ublick in: „Struwwelpeter 2.0“, Medienmündigkeit und Waldorfpädagogik. Broschüre des Bundes der Freien Waldorfschulen. Stuttgart 2014)

Mediennutzung in der Unterstufe

Klasse 1 bis 5

Angesichts der dargestellten negativen Wirkungen des Medienkonsums auf die seelische, leibliche und geistige Entwicklung der Kinder lehnen wir den Einsatz jeder Art von digitalen Medien in der Unterstufe ab. Bis einschließlich Klasse 5 wird eine indirekte Medienpädagogik umgesetzt. Dies bedeutet, dass das Thema Medien im Unterricht nicht aktiv angesprochen wird, sondern den Kindern diejenigen Kompetenzen vermittelt werden, die sie später für eine sinnvolle Mediennutzung benötigen. Dies sind insbesondere die Stärkung der unteren Sinne (Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn, Gleichgewicht), Kreativität, Willensstärke, Urteilsvermögen, Sozialkompetenz und Lust auf Realität.

Auch zu Hause sollten die Schüler der Unterstufe keine Bildschirmmedien konsumieren. Die Kinderzimmer sollen in jedem Fall medienfrei sein.
Möchten die Eltern aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus ihren Kindern ein Handy auf den Schul-weg geben, so sollte dies ein nicht- internetfähiges Modell ohne Zusatzfunktionen wie Kamera, Spiele etc. sein.
Da Kinder in diesem Alter im Wesentlichen durch Vorbilder lernen, müssen sich die Eltern ihrer Vorbildfunktion im eigenen Umgang mit digitalen Medien bewusst sein und einen entsprechend zurückhaltenden Medienkonsum vorleben.
Mit den Eltern sollte je Klasse eine Vereinbarung zum aktuellen und zukünftigen Umgang ihrer Kinder mit Medien erarbeitet werden. Angestrebt wird eine medienfreie Unterstufenzeit. Eltern sollten sich dessen bewusst sein, dass bis einschließlich des 15. Lebensjahres eine restriktive Mediennutzung und -ausstattung angezeigt ist.

6. Klasse

Um das 12. Lebensjahr herum beginnen die Kinder, die Welt in Hinblick auf Ursache und Wirkung zu betrachten. Nun wollen sie Zusammenhänge verstehen. Computer und Handy bekommen einen zunehmend größeren Stellenwert. Da Kinder ab zehn Jahren vermehrt und ab zwölf Jahren überwiegend alleine im Internet und in sozialen Netzwerken unterwegs sind (KIM-Studien des mpfs), wird das Thema spätestens ab der sechsten Klasse im Rahmen einer direkten Medienpädagogik behandelt. Dies ist der Zeitpunkt, an dem die bewusste Auseinandersetzung mit den digitalen Medien beginnen sollte. Allerdings brauchen sie eine enge Begleitung, da die Heranwachsenden noch nicht kritisch reflektieren können, was ihnen in den Bildschirmbildern und in sozialen Netzwerken begegnet, so dass sie schutzlos der Atmosphäre und den Intentionen von Filmen, anderen Nutzern, Spielen und Werbung ausgesetzt sind.
Die Schüler werden nun von ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer, dem oder der Medienbeauftragten oder einem/einer externen Spezialisten/in über die Risiken des Medienkonsums (Manipulation, Datenmissbrauch, Cybermobbing etc.) aufgeklärt. 

Das Ideal für diese Altersgruppe ist ebenso wie für die jüngeren Kinder Medienabstinenz. In dem Maße, in dem dies von den Eltern nicht umgesetzt werden kann, sollten bewusst Gegengewichte zum Medienkonsum gesetzt werden (Lesekultur, kreatives Schaffen, Sportverein, Instrumentalunterricht, Familienausflüge, reale soziale Kontakte etc.)
Die Kinderzimmer sollten in jedem Fall weiterhin medienfrei sein, da sich sowohl die Konsumdauer mit einem eigenen Gerät signifikant vergrößert als auch die Inhalte nachweislich deutlich über der Altersbegrenzung liegen. Besitzen die Kinder ein eigenes Gerät, verlieren die Eltern die die Kontrolle über Zeit und Inhalte des Medienkonsums.
Untersuchungen zeigen, „dass eine hohe Ausstattungsquote nicht nur mit deutlich mehr inhaltlich problematischer Nutzung einhergeht, gemessen am Konsum von Filmen und Computerspielen mit Altersfreigaben ab 16 bzw. 18 Jahren, sondern auch mit deutlich höheren Nutzungszeiten. So haben Jungen mit einer Vollausstattung mit Bildschirmgeräten mit über 100 Minuten Fernsehnutzung und mehr als 50 Minuten Computerspielzeit fast doppelt so hohe Nutzungszeiten wie Jungen ohne Bildschirmgeräte im Zimmer. Vergleichbar hohe Unterschiede, jedoch mit insgesamt deutlich niedrigeren Zeiten, werden für die Mädchen berichtet (Mößle, 2012 nach Forschungsbericht 121 des Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN)

Vereinbarungen mit den Eltern

Wird das Internet von den Kindern genutzt, so sollte dies unbedingt ausschließlich unter Aufsicht und mit Begleitung der Eltern geschehen.
Mit den Eltern wird auch in dieser Klasse eine Vereinbarung zum aktuellen und zukünftigen Umgang ihrer Kinder mit Medien erarbeitet.
Die getroffene Vereinbarung wird jährlich im Rahmen eines Elternabends auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Angesichts der derzeit offenbar beachtlichen Medienausstattung und Mediennutzungszeiten der Zwölfjährigen muss der Ausgangspunkt für eine sinnvolle Vereinbarung unter den Eltern der aktuelle Medienkonsum der Kinder sein. Ausgehend von diesem wird mit den Eltern eine (je Klasse) individuelle Vereinbarung über eine moderate Mediennutzung erarbeitet (z.B. medienfreies Kinderzimmer, keine Smartphones, Festlegen maximaler Mediennutzungszeiten, Verbot bestimmter Filme und Computerspiele, nur begleiteter Medienkonsum etc.)
Der Vorteil einer solchen Vereinbarung ist- neben dem Schutz der Kinder-, dass der von der Mediennutzung ausgehenden Gruppenzwang innerhalb einer Klassengemeinschaft sich verringert.
Da Kinder auch in diesem Alter in erster Linie durch Vorbilder lernen, müssen sich die Eltern und Lehrer ihrer Vorbildfunktion im eigenen Umgang mit digitalen Medien nach wie vor bewusst sein und einen entsprechend zurückhaltenden Medienkonsum vorleben.

Mittelstufe – Klassen 7 bis 9

Mit der Pubertät haben sich Denken, Fühlen und Wollen so weit als selbständige seelische Betätigungsfelder etabliert, dass sie ein zunehmend autonomes Verhältnis zur Welt gewinnen, in dem unbewusst wirkende Kräfte zu frei verfügbaren Seelenkräften werden.
Die Jugendlichen sollen ihre Fähigkeiten innerhalb von Erfahrungsräumen ausbilden, die ihrem körperlichen, seelischen, sozialen und geistigen Reifegrad entsprechen. Mit zunehmendem Alter der Schüler rückt im Laufe der Mittelstufe deren kognitive Entwicklung immer stärker ins Zentrum. Zum einen entsteht die Fähigkeit des logischen und abstrakten Denkens, zum anderen entwickelt sich ab dem 12. Lebensjahr das Urteilsvermögen der Jugendlichen. Sie schaffen sich nun ihr eigenes Weltbild und definieren ihre (soziale) Position und Ziele in der Gemeinschaft.
Der selbständige Umgang mit dem Computer setzt die Entfaltung der beschriebenen Fähigkeiten voraus. Deshalb ist ein Umgang mit IT-Technologie überhaupt erst ab dieser Altersstufe pädagogisch sinnvoll.  Im Laufe der Mittelstufe behält die indirekte Medienpädagogik zwar ihre Bedeutung als ausgleichendes Gegengewicht, tritt aber mehr und mehr in den Hintergrund und eine direkte Medienpädagogik rückt zunehmend in den Vordergrund. (Struwwelpeter, Medienbroschüre, S. 11)
Das Interesse der Schüler wendet sich im Laufe der Mittelstufe immer stärker jeder Art von technischen Medien zu.  Ein Grundimpuls der Waldorfpädagogik lautet, dass die Heranwachsenden ihre technische Umgebung verstehen lernen sollen. Um dem Rechnung zu tragen, steht weiterhin die Produktionsfähigkeit im Mittelpunkt. Als Methode empfiehlt sich jede Art von künstlerischer Herangehensweise, z. B.  Rollenspiele, Bildergeschichten, Schreiben von Szenen oder Geschichten, Hörspiele oder Filme.

7. Klasse

Das Interesse der Jugendlichen dieses Alters gilt einerseits Computerspielen, andererseits in immer stärkerem Maße der Nutzung von sozialen Netzwerken. In diesem Sinne sollen Fragen zu Gefahren und Schutz, Anonymität und sozialen Umgangsformen im Netz thematisiert werden.
Die Fähigkeit der Schüler zur Rezeption, also die Fähigkeit, Texte, Bilder und Kunstwerke zu verstehen, ist eine weitere Stufe zum Erreichen der Medienmündigkeit. Dieses sollte auch  an den veränderten digitalen Kommunikationsformen geübt werden. Um ein Gegengewicht zu den allgegenwärtigen Kurznachrichten auf Handys und in sozialen Medien zu schaffen, sollten die Bedeutung und Vielschichtigkeit von Sprache ein großes Gewicht erhalten, sowie die Wichtigkeit von Mimik und Gestik zur Herstellung von tragfähigen Beziehungen zwischen Menschen thematisiert werden. (Sprachlehre, Fremdsprachen, Theaterprojekte, Medienkunde)
 Zum Ende der Klassenstufe findet ein Projekt zum Kennenlernen der Funktionsweise des Computers („Computer ohne Computer“) sowie das Erlernen des 10-Finger-Schreibens statt.
Als weiteres Gegengewicht steht für die Erarbeitung der Referate noch das Buch als Medium im Mittelpunkt.  Der Nutzung von Onlineresourcen geht voraus, dass die Schüler Strategien beherrschen, um in Buchbeständen sinnvoll suchen zu können. Dazu dient der in der 7. Klasse angesiedelte angeleitete Besuch der Stadtbibliothek.
Damit Schüler Computertechnologien auch für ihr Lernen sinnvoll und ökonomisch nutzen können, müssen sie lernen, wie man neben Büchern, Zeitschriften usw. auch Onlineressourcen sinnvoll erschließt. Eine gezielte Anregung, wie man mithilfe von Suchmaschinen im Internet sinnvoll recherchieren kann, ist etwa ab der 7. oder 8. Klasse – zunächst angeleitet in der Schule – pädagogisch sinnvoll. Dabei werden die verschiedenen Arten von Suchmaschinen besprochen, grundlegende Vorgehensweisen und Gesichtspunkte beim Suchen behandelt und Fachportale sowie sinnvolle Rechercheportale kennengelernt. (Struwwelpeter, S. 17)

8. Klasse

In dieser Klassenstufe sollen die Schüler Kriterien an die Hand bekommen, die es ihnen ermöglichen in der endenden Mittelstufe und der Oberstufe die Medienlandschaft zum Lernen und zur Kommunikation zu nutzen.  Anhand von konkreten Vorhaben wie Klassenreisen, Festen oder Ausflügen erwerben die Schüler grundlegendes Wissen über die richtigen Formen des Schriftverkehrs im Internet (Aufbau einer geschäftlichen E-Mail, Formulierung sinnvoller Betreffs).
Sehr wichtig ist, dass die Schüler Kriterien an die Hand bekommen, mit deren Hilfe sie die Glaubwürdigkeit von Internetseiten beurteilen können. An sinnvollen Stellen sollte dies im Unterricht zunächst begleitet und an vorgegebenen Orten eingesetzt und geübt werden, damit sie die Vertrauenswürdigkeit von Informationen erkennen lernen und ein sicheres Urteil erworben werden kann.
Damit Jugendliche sich gefahrlos auf den Social-Media-Plattformen bewegen können, ist es wichtig, grundlegende „Spielregeln“ zu kennen. Dies muss im Rahmen einer Medienpädagogik und Suchtprävention bearbeitet werden.
Als Projekt findet eine erste Einführung in Textverarbeitungsprogramme statt.

9. Klasse

Nach der Erarbeitung der Voraussetzungen in der 8. Klasse können die Schüler für ihre Biografiearbeit neben der Verwendung von mindestens einem Buch jetzt auch eine Internetquelle für Ihre Recherchen nutzen, wie sie es zunehmend auch für die in den verschiedenen Fächern anstehenden Referate tun.
Die praktische Verwendung von einem Textverarbeitungsprogramm wird bei den Rückblicken zum Landbaupraktikum und der Biografiearbeit für die Abschlussportfolios geübt.
Als weiterführendes Thema zur Bildung der Medienmündigkeit und der sich nach und nach entwickelnden Reflexionsfähigkeit steht die in allen digitalen Medien massiv eingesetzte Werbung unter dem Aspekt der Manipulation und Entscheidungsfindung im Fokus (z. B. sollte Werbung analysiert und kritisch hinterfragt werden).

Medien und Klassenfahrten

Klassenfahrten dienen unter anderem der Übung des sozialen Zusammenlebens. Die Nutzung der elektronischen Medien verlagert soziales Lernen in eine Scheinwelt, in der die Schüler sich der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit realen Prozessen entziehen können. Klassenreisen bieten hinreichende soziale Kontakte, bereichernde wie auch erschwerende Vorkommnisse mit der Notwendigkeit gemeinsamer Konfliktbereinigung. Deshalb wird auf digitale Medien verzichtet.

Medien im häuslichen Bereich – Vereinbarungen mit den Eltern

Das Ideal ist der weitgehende Verzicht auf Bildschirmmedien bis zum Ende der achten Klasse. Jugendliche sollten bis zu diesem Alter kein eigenes internetfähiges Gerät besitzen.  Das Jugendzimmer sollte in jedem Fall medienfrei sein.
In dem Maße, in dem sich die Jugendlichen für Medien interessieren, sollten deren Eltern Kenntnis davon haben und sie begleiten. Ein Profil im Internet ist ein weltöffentlicher Auftritt und hat mit Privatsphäre nichts zu tun. Deshalb müssen Eltern bei Minderjährigen Kenntnis von der Art ihres Profils haben.  Für Computerspiele oder soziale Netzwerke vorgegebene Altersbeschränkungen sollten mindestens eingehalten werden, da sie ohnehin in der Regel zu tief angesetzt werden.
Mit den Eltern der Klassen wird ausgehend vom aktuellen und zukünftigen Umgang ihrer Kinder –  im Idealfalle mit Hilfe eines Medienpädagogen -  eine (je Klasse) individuelle und realistische Vereinbarung über moderate Mediennutzung erarbeitet, z. B. Verbot bestimmter Filme und/oder Computerspiele, Festlegung maximaler Nutzungszeiten von Smartphone und Computern, kontrollierte Nutzung von sozialen Netzwerken). Die getroffene Vereinbarung sollte jährlich im Rahmen eines Elternabends auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden.
Wie in der Unterstufe dienen die Vereinbarungen dem Schutz der Jugendlichen und verringern den von der Mediennutzung ausgehenden Gruppenzwang.

Oberstufe

Aus dem Leitbild zum Medienkonzept ergibt sich auch für die Klassen 10 bis 13 eine Medienpädagogik, die vom Menschen ausgehend die persönlichen Beziehungen in der Lerngruppe und die Sachthemen in den Vordergrund stellt. Die zwischenmenschliche Begegnung sehen wir auch in der Oberstufe als lernwirksamsten Faktor an. Im Zentrum der schulischen Arbeit steht die Entwicklung der Individuen, alles andere – sowohl die klassischen als auch die digitalen elektronischen Medien – ist nur Hilfsmittel und nicht Selbstzweck im Sinne einer Anwendung um der Anwendung willen.

Die Erziehung zur Medienmündigkeit, die zunächst in der Unterstufe auf einer indirekten Medienpädagogik aufbaut und dann in der Mittelstufe auch direkte Medienpädagogik einschließt, wird in der Oberstufe weitergeführt, da die Ausbildung verantwortungsbewusster Urteils- und Handlungsfähigkeit in dieser Stufe die übergeordnete Aufgabe darstellt.

Zum Zeitpunkt der Formulierung des hier vorgestellten Medienkonzepts formiert sich (nicht nur) in der Waldorfbewegung ein inzwischen durch Forschungsergebnisse gut begründeter Widerstand gegen die von Wirtschaft und Politik massiv betriebene „digitale Bildung“. Die Waldorfschule setzt sich in einer Lebenswirklichkeit der rasant wachsenden digitalen Durchdringung und Kontrolle aller Informations- und Kommunikationsbereiche leicht dem Vorwurf der Weltfremdheit und Technikfeindlichkeit aus, obwohl sie das vom grundlegenden Ansatz her gesehen nicht ist: „Lebenskunde muss aller Unterricht geben“ (Rudolf Steiner); „aller Unterricht muss letztendlich dahin führen, dass die Schüler das Leben ihrer Zeit möglichst umfassend verstehen, deren grundlegende Kulturtechniken gut beherrschen und sinnvoll weiterentwickeln können“ (Edwin Hübner in Struwwelpeter 2.0, S. 17).
Es begegnen sich daher aktuell in der Oberstufenpädagogik der offene und auf das Verständnis gerichtete Blick auf die Informationstechnologie mit dem Bemühen, der darin angelegten Imitation seelischer Aktivitäten und dem Selbstentmündigungs-Fatalismus entgegenzuwirken (vergl. Erziehungskunst 04/2017).

Für die Oberstufe muss deshalb entschieden werden,

  • inwieweit die Technik der digitalen Datenverarbeitung zum Unterrichtsinhalt wird,
  • welche Einrichtungen und Verfahren zur Ausstattung der Schule bzw. zum Unterricht gehören sollen,
  • an welchen Inhalten der kreative, produktive und selbstbestimmte Umgang mit digitalen Medien erlernt werden kann und
  • wie die Wirkungen digitaler Medien auf Konsumenten und Produzenten durchschaut und beurteilt werden können.

Für alle Bereiche gibt es Beispiele aus der Waldorfpädagogik, es ist aber zurzeit schwierig, sich dafür ein langfristig gültiges Programm zu geben, da vieles davon projektartig realisiert wurde und sehr von bestimmten Konstellationen abhängt.
Als Verfahren hat die Schule vereinbart, dass am Ende eines jeden Schuljahres die Oberstufenkonferenz zusammenträgt, was im folgenden Schuljahr konkret im Unterricht verwirklicht werden kann und was davon als fester Bestandteil der Pädagogik angesehen werden kann. Die inhaltliche Ausgestaltung des Medienkonzepts Oberstufe wird damit zu einem mehrjährigen, fortzuschreibenden Geschehen.   

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